Kleists Komödie "Der zerbrochene Krug" ergötzt im Gymnasium

"Der zerbrochene Krug" gehört zu denjenigen Werken, denen gegenüber nur das Publikum durchfallen kann." Diese Lobpreisung des Dramatikers Hebbel machten sich die Theater - AG des Gymnasiums Nordhorn und ihre bewährten Regisseurinnen Inga Brookmann und Ulla Ribbink zunutze, als sie eine so mutig wie geschickt gekürzte "freie" Fassung von Kleists dialektischer Komödie auf die Bühne der Gymnasiumsaula brachten.

Das Publikum in der leider nicht voll besetzten Aula fiel nicht durch, sondern ergötzte sich an Stück und Aufführung und am erstaunlichen Darstellungs- und Sprechvermögen der Schüler. Hier wurde der unanzweifelbare Bildungserfolg von Schülertheater auch nach außen und punktuell offenkundig.

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Der hier von Kleist verwandte Urtypus von Theater, die Gerichtsverhandlung, passte im Hinblick auf die geringe Raumbeanspruchung gut zur Kleinbühne der Aula, die ja wenig Entfaltungsraum bietet und Sprach- und Figurenkomik dankbar annimmt. Der klumpfüßige Adam, der sündhafte, der der Gnade bedürftige Mensch, liebt leibliche Genüsse und junge Frauen. Marvin Bült spielte ihn mit listiger Scheintrotteligkeit. Durch das unverhoffte erscheinen der Gerichtsrats Walter (Philip Schrigten verwaltete das Schicksal), der auf Inspektionsreise ist, gezwungen, muss Adam als Richter (s)einen Fall von Nötigung und nächtlichem Vergewaltigungsversuch untersuchen, dessen Täter er selbst ist. Unter den scharfen Augen des Gerichtsrats und des Schreibers Licht, der auf Adams Nachfolge spekuliert (kratzbuckelnd und scharfzüngig: Maik Sillies), treibt sich der Dorfrichter im Versuch, seine Vergehen auf andere abzuwälzen, immer weiter in die Enge von Lüge und Widersprüchlichkeit. In Parallele und zugleich in Umkehrung des antiken Ödipus-Falles sucht Adam vertuschend nach einer Wahrheit, die ihm bekannt ist. Nächtlich nachgestellt hat er Eve Rull, hier eine gar unschuldig - treue Eva (Julia Henkenborg), die ihren Verlobten Ruprecht (als polternder, ehrpusseliger Bauerntölpel: Simon-Luca Papendorf) vor einem vermeintlich schlimmen Soldatenschicksal  schützen möchte. Bei seiner Flucht aus Eves Kammer aus dem Fenster im ersten Stock überrascht und am Kopf erwischt vom zornigen Ruprecht, hat Adam einen ideell wertvollen Krug zerbrochen, den Eves Mutter Marthe Rull penetrant einklagt (hartnäckig: Rebecca Engel). Augenzeugin seiner Flucht war Frau Brigitte (abergläubisch: Anne-Roos Lieven), im Fliehenden mit Klumpfuß den pferdefüßigen Teufel vermutend.
Das Personentableau vervollständigten auf entzückend schnippische Weise oft unisono sprechend die Mägde Liese (Alicia Sanchez) und Grete (Finja Buchalla). Adam wird entlarvt, darf aber auf die Gnade Walters hoffen. Was wäre der Sünder ohne Gnade?
Das Wagnis, die präzise stolpernde und sich geschickt verhaspelnde Jambensprache Kleists zu sprechen, konnte - mit den notwendigen Abstrichen eines Schülertheaters - nur durch Kürzung, Stilglättung und vor allem durch die Spielfreude der Schülerinnen und Schüler gelingen.

Bernd Durstewitz